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Alexei Anatoljewitsch Nawalny (russisch Алексей Анатольевич Навальный, wissenschaftliche Transliteration Aleksej Anatolʹevič Navalʹnyj, * 4. Juni 1976 in Butyn, Oblast Moskau) ist ein russischer Jurist, Dokumentarfilmer, Dissident, Antikorruptions-Aktivist, oppositioneller Politiker und seit 2009 Blogger. Nachdem 2013 sein Status als Anwalt entzogen und 2020 ein lebensgefährlicher Giftanschlag auf ihn verübt wurde, ist er seit 2021 inhaftiert und muss eine mehrjährige Gefängnisstrafe absitzen.
Sein Vater Anatoli Nawalny stammt aus Salissja, einem Dorf in der Nähe der Grenze zu Belarus im Rajon Iwankiw in der Oblast Kiew, Ukraine. Nawalny wuchs in Obninsk etwa 100 km südwestlich von Moskau auf, aber verbrachte in seiner Kindheit die Sommerferien bei seiner Grossmutter in der Ukraine.
1998 absolvierte Nawalny das Studium der Rechtswissenschaften an der Russischen Universität der Völkerfreundschaft und 2001 das Studium Wertpapiere und Börsenwesen an der Finanzuniversität der Regierung der Russischen Föderation in Moskau.
Nach Empfehlung durch den Schachweltmeister Garri Kasparow sowie Jewgenija Albaz, Sergei Gurijew und Aleh Zywinski erhielt Nawalny 2010 ein viermonatiges Stipendium für aufstrebende Führungskräfte an der US-Eliteuniversität Yale und nahm am „Greenberg World Fellows Program“ teil.
Nawalny ist mit Julija Nawalnaja (geborene Abrossimowa) verheiratet. Sie haben eine Tochter, die mit einem Stipendium an der Stanford University studiert.
Im Jahr 2011 gründete er die „Stiftung für Korruptionsbekämpfung“, eine im Juni 2021 verbotene Nichtregierungsorganisation, die sich aus Spenden finanziert. Sie ermittelt laufend zur staatlichen Korruption in Russland und macht diese publik. Im Oktober 2012 wurde er an die Spitze eines neu geschaffenen Koordinierungsrates der russischen Opposition gewählt. Bei der Bürgermeisterwahl in Moskau im September 2013 erzielte er laut Regierung 27 Prozent der Stimmen und galt seitdem als unbestrittener Anführer der Anti-Putin-Opposition. Von 2009 bis 2013 nahm er, auch als Redner, an den teils als rechtsextrem eingestuften Russischen Märschen teil, von denen er sich später teilweise distanzierte, sich selbst als „nationalistischen Demokraten“ bezeichnete, die zuvor bereits verbreiteten rechtsextremistischen Parolen allerdings lediglich als weniger radikal klingend umformulierte, ohne sie tatsächlich inhaltlich zu verändern. Seit November 2013 ist er Vorsitzender der Kleinpartei Russland der Zukunft.
Im Juli 2013 wurde Nawalny in einem Prozess wegen Unterschlagung zu fünf Jahren Haft verurteilt; im Oktober 2013 wurde diese Strafe zur Bewährung ausgesetzt. Nach einer Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) im Februar 2016 setzte der Oberste Gerichtshof Russlands das Urteil aus und es kam zur Neuaufnahme des Prozesses, in der er im Februar 2017 erneut zu fünf Jahren Haft auf Bewährung verurteilt wurde.
In der Folgezeit profilierte sich Nawalny mit mehreren öffentlichkeitswirksamen Aktionen als Kämpfer gegen Korruption. Im März und im Juni 2017 sowie am 7. Oktober des Jahres – dem Geburtstag des russischen Präsidenten Putin – organisierte er landesweite Proteste gegen Korruption und gegen die Regierung unter Medwedew, an denen zehntausende Menschen teilnahmen. Dabei wurden zahlreiche Demonstranten vorübergehend festgenommen und auch er selbst im Juli 2017 für 25 Tage verhaftet, wegen angeblichem Verstoß gegen das Versammlungsrecht.
Am 17. Oktober 2017 urteilte der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte, dass die Verurteilung Nawalnys rechtswidrig sei und dass dem Verurteilten 55.000 Euro Schadensersatz zu zahlen seien.
Im Dezember 2016 kündigte Nawalny seine Kandidatur bei der Präsidentschaftswahl im März 2018 an. Am 25. Dezember 2017 erklärte die Zentrale Wahlkommission Russlands seine Kandidatur für nicht zulässig und begründete dies mit seiner Verurteilung zu einer Bewährungsstrafe. Daraufhin rief er seine Anhänger zum Boykott der Präsidentschaftswahl auf.
Am 20. August 2020 wurde Nawalny Opfer eines Giftanschlages mit einem Nowitschok-Nervenkampfstoff. Er wurde in der Omsker Klinik vom stellvertretenden Chefarzt für Anästhesiologie und Reanimation, Sergej Maksimischin, und vom Leiter der Abteilung für Traumatologie und Orthopädie, Rustam Agischew, zwei Tage lang behandelt, ins künstliche Koma versetzt und auf Veranlassung seiner Familie in die Berliner Charité verlegt. Im September 2020 wurde er aus dem künstlichen Koma geholt und konnte noch im selben Monat das Krankenhaus verlassen.
Nawalny blieb zur Erholung in Deutschland. Er flog im Januar 2021 nach Moskau, wurde am Flughafen festgenommen und per Gerichts-Eilentscheid für 30 Tage in Untersuchungshaft genommen, nachdem ihn die russische Strafverfolgung zur Fahndung ausgeschrieben hatte, weil er gegen Bewährungsauflagen aus dem Fall Yves Rocher verstoßen haben soll. Mit seiner Festnahme entwickelten sich in Russland landesweit Proteste. Am 2. Februar 2021 wurde er von der kurz vorher ausgetauschten Richterin Natalja Repnikowa (1972–2022), dem Antrag der Generalstaatsanwältin Jekaterina Frolowa folgend, zu dreieinhalb Jahren Straflager verurteilt. Nawalny ist in der Strafkolonie Nr. 2 in der Kleinstadt Pokrow 100 km östlich von Moskau inhaftiert. Da er bereits während des früheren Verfahrens zehn Monate in Hausarrest saß, wurde diese Zeit auf die noch zu verbüßende Haft angerechnet. Während der Strafhaft verschlechterte sich sein Gesundheitszustand drastisch.
Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) forderte am 17. Februar 2021 seine unverzügliche Freilassung, was Justizminister Konstantin Tschujtschenko als eine „klare und grobe Einmischung“ in die Arbeit der Justiz eines souveränen Staates bezeichnete. Es gebe nach russischem Recht keine Grundlage, „diese Person“ aus der Haft zu entlassen. Der Leiter der russischen Delegation bei der Parlamentarischen Versammlung des Europarates Pjotr Tolstoi wies auf eine Verfassungsänderung aus dem Sommer 2020 hin, die russisches Recht über internationales Recht stelle. Russland denke gar nicht daran, der Forderung des EGMR nachzukommen.
Die Vergiftung und Verhaftung von Nawalny, wie auch die massenhaften Verhaftungen und Einschränkungen bei Demonstrationen, sind aus Sicht der Parlamentarischen Versammlung des Europarates keine nationalen Angelegenheiten Russlands, sondern haben völkerrechtliche Dimensionen, die auch den Europarat betreffen.
